Aufwachen in einer neuen Welt

Es sind nun über zwei Jahre vergangen, seitdem auf diesem Blog mein Beitrag zur Erfahrung von Metal und Metal Studies in Mexiko erschien. Seit damals ist im Bereich der Metal Studies, vor allem aber auch in der Welt überhaupt viel geschehen. Man könnte meinen, wenn man damals im Juli 2022 schlafen gegangen wäre und heute, im Januar 2025, wieder aufgewacht, es sei eine andere Welt.

In den USA wird am 20. Januar 2025 Donald Trump seine zweite Amtszeit antreten. Eine Mehrheit der amerikanischen Wähler*innen hat sich für einen Politiker entschieden, der nicht nur bewusst lügt, sondern überhaupt keinerlei Grenzen im Regieren und seiner Machtausübung zu akzeptieren scheint.

In Österreich hat sich nach den letzten Nationalratswahlen, bei denen die FPÖ stärkste Kraft wurde, eine mögliche Koalition von ÖVP, SPÖ und NEOS zerschlagen. Man kann dabei nur von einem Totalversagen aller Beteiligter sprechen. Sie ebnen einem Politiker einer Partei den Weg ins Bundeskanzleramt, die unter allen rechtsextremen und rechtspopulistischen Europas eine der radikalsten ist – und auch diejenige, die schon am tiefsten im medialen und politischen Betrieb angekommen ist. Und am schlimmsten daran: genau die hier gezeigten Verhaltensmuster der sich nicht einigenden anderen Parteien scheinen nur die Ressentimentfront im FPÖ-Handwerk zu bestätigen. Kurz, 2025 ist eine Welt, die wesentlich unsicherer erscheint.

Popmusik und Heavy Metal in dieser anderen Welt

Die Frage, ob Heavy Metal als einer der prägenden Popmusiken seit den 1980ern politisch oder unpolitisch ist, ist so alt wie Metal selbst. Die Antwort darauf hängt auch davon ab, wie man auf den Zusammenhang blickt. Unbezweifelbar ist, dass Popmusik, überhaupt jegliche kulturelle und künstlerische Betätigung und damit auch Metal im politischen Kontext entsteht; mit diesem verflochten ist und im Gehört- und Gespieltwerden auf diesen zurückwirkt.

Heavy Metal, dem zwar oft ein konservativer Zug nachgesagt wird, welchen man in der Musiksprache und Ästhetik oft nicht lange zu suchen braucht, tritt trotzdem in der Regel freiheitsbetonend und freiheitseinfordernd auf. Eines der zentralen Kennzeichen von Metal in Ethos, Ästhetik und Klang ist Transgression, das bewusste Sprengen von zu engen Konventionen. Und noch mehr: die Geschichte der Entstehung und des Erfolgs des Metal setzte voraus, dass es künstlerische, soziale und politische Freiheit gab, die ihn ermöglichte.

Man kann den Zusammenhang so pointieren, dass die Beziehung von Metal und politischer Freiheit jene ist, dass Metal nur dann blühen kann, wenn er frei existieren und sich entfalten kann; wenn Kreativität, Spiel und Fortentwicklung angstfrei für Künstler*innen und Hörer*innen gesichert sind; wenn ein gesellschatliches Klima herrscht, das nicht auf Bedrohung und Demütigung der “Anderen” (man darf dafür einsetzen, was man für passend hält) basiert. 2025 hat viel Potential für eine Welt, in der dies nicht mehr wie bisher sein könnte.

Wider die John Otti Band als Rolemodel

Man kann sich dazu auf ein Gedankenexperiment einlassen und die 1980er, als Metal in der Steiermark und Österreich voll ankam, verändert vorstellen; sich vorstellen, dass eine Partei geherrscht hätte, die Kultur so versteht, dass alles jenseits von Aufsteirern und Musikantenstadl bedroht und beschimpft worden wäre; die jegliche Kunst, die etwas wehtut, ob Museum, Literatur oder Theater als “Nestbeschmutzung” und schlimmer tituliert. Unter der Ägide dieser Partei ist es schwer vorzustellen, dass genug Freiheit geherrscht hätte, eine bis heute prosperierende Metal-Szene zu etablieren.

Sieht man sich Live-Streams von FPÖ-Parteiveranstaltungen an, wird der Zusammenhang noch klarer. Im Bierzelt gestaltet die John Otti Band den Soundtrack zur “Festung Österreich”. Stilistisch dumpf, gedanklich einfach, die Menschen klanglich in ihrer Festung einsperrend. In einer Welt, in welcher Kultur, Musik, Politik und Gesellschaft nach diesem Maßstab funktionieren, ist Feuer am Dach. Und genau aus diesem Grund spielt die John Otti Band keinen Death Metal. Wenn die Welt schon vor vierzig oder fünfzig Jahren so freiheitsfrei getickt hätte, würde es weder Metal noch Metal Studies geben.

Genau aus diesem Grund sollten auch wir in den kommenden Wochen und Monaten sehr gut darauf achten, dass dieses Rolemodel, seine Vetreter*innen und Politiker*innen nicht unsere Freiheit gefährden. Lasst das Modell John Otti Band dort, wo es hingehört.